Wer hätte gedacht, dass einer der unbeliebtesten Charaktere aus dem Herrn der Ringe, sein eigenes Spiel bekommt. Und hier geht es nicht um einen der arroganten Elfen oder einen brummeligen Zwerg. Wir reden über Gollum, ein ungepflegtes, heimtückischen und absolut hinterhältiges Monster.
Obwohl er einer der zentralen Charaktere ist, bleibt für ihn meistens nur Verachtung. Selbst am Ende der Geschichte geht er nicht geläutert in den Sonnenuntergang, sein Schicksal ist auch da besiegelt.
Wer wollte also so jemanden spielen, und wie macht man ihn für den Spieler interessant? Immerhin ist Gollum kein muskelbepackter Superschurke, der die Fetzen fliegen lässt. Klein und schwächlich muss er sich durch eine gefährliche Welt schlagen.
Sein Abenteuer beginnt während seiner Gefangenschaft bei den Elfen im Düsterwald. Dort wird er von Gandalf befragt, woraufhin ein Teil seiner Geschichte in der Rückschau erzählt wird.
Wie auch der Charakter Gollum, bzw. Smeagol, ist die Grafik des Spiels ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite gefallen die schön dargestellten Landschaften. Mordor, oder auch das Land der Elfen, alles sieht sehr glaubwürdig aus und ist stilistisch gut getroffen. Mit aktiviertem Raytracing gibt es tolle Lichteffekte und wunderschöne Spiegelungen im Wasser. Es macht Spaß, die Umgebung zu erkunden und sich die Levelarchitektur anzuschauen.
Viele kleine Details erfreuen den kundigen Spieler. In den Höhlen der Orks von Mordor gibt es einen Ausblick auf die Produktion für den bevorstehenden Feldzug der Orks. So wird dort auch an Grond, dem riesigen Rammbock, gebaut.
Auch Gollum wird gut charakterisiert. Er erinnert zwar etwas an die Filme, ist aber doch eigenständig. Auch wirkt er nicht ganz so hinterhältig und fies, eher etwas mitleiderregend.
Sobald er sich in Bewegung setzt, fallen als Erstes die schrecklichen Animationen auf. Teilweise wirken seine Bewegungen wie von eine animatronischen Puppe. Teilweise teleportiert er ein Stück durch die Gegend. Springt der Spieler nicht genau an eine Kante, ist das Spiel zwar fair und lässt ihn nicht einfach herunterfallen. Die Lösung ist aber nicht sehr gut gelungen, Gollum teleportiert einfach einige Pixel um dann plötzlich am Vorsprung zu hängen. Da hat am Ende wohl der Feinschliff gefehlt.
Das sieht man auch an anderen Stellen, die Charaktere wirken vor allem im Gesicht etwas verschwommen und wenig detailliert. Nur einige, die auch mal aus der Nähe gezeigt werden, sind gelungener. Aber einzeln herumstehenden Fußsoldaten sollte man besser nicht zu genau anschauen.
Teilweise stören auch Grafikfehler. Die Haare eines Mitgefangenen sehen aus wie aus Beton gegossen, selbst beim Laufen steht dessen Pferdeschwanz teilweise im rechten Winkel vom Kopf. Einzelne Strähnen oder Haare gibt es eh nicht zu sehen, die gesamte Frisur ist ein einzelner Klotz. Vielleicht kein Grafikfehler, sondern nur zu viel Haarspray?
Zusätzlich stören kurze Ruckler, vermutlich verursacht durch das Nachladen von Daten. Manchmal kommt es sogar zu längerem Einfrieren von mehreren Sekunden. Oder der Ton ist schon da, aber die Grafik fehlt noch und zeigt nur einen schwarzen Bildschirm. Dafür sind aber manche Abschnitte auch riesig, gerade die Orkhöhlen wo Gollum gefangen halten wird, sind beeindruckend.
Dafür ist die Vertonung hervorragend gelungen. Am herausragendsten ist der Sprecher von Gollum, man nimmt ihm die innere Zerrissenheit wirklich ab. Gerade dadurch wirken die Gespräche zwischen Gollum und Smeagol nicht aufgesetzt, sondern geben dem Charakter Tiefe und machen ihn irgendwie auch liebenswert. Selbst wenn er andere fies in ihr Verderben schickt. Man könnte auch sagen, der Sprecher verkörpert den Zwiespalt des Spielers zwischen nett sein und dem Wunsch möglichst effektiv zu spielen.
Die anderen Sprecher sind durchaus nicht schlecht, kommen aber nicht an Gollum heran. Manche Orks oder Elfen klingen auch nicht ganz so passend. Auch Gandalf ist etwas enttäuschend vertont. Trotzdem ist die Qualität immer noch hoch. Dazu tragen auch die zahlreichen Umgebungsgeräusche bei. Wasserrauschen, Gehämmer aus den Minen oder das Brodeln der Lava, es gibt immer etwas zu hören.
Die Musik in den einzelnen Abschnitten ist sehr gut gelungen. Manchmal sind es leise melancholische Hintergrundgesänge, ein anderes Mal eine bedrohliche Klangkulisse. Zusammen mit den Umgebungsgeräuschen erschafft das eine atmosphärische Welt, ist aber gleichzeitig nicht so aufdringlich um sich in den Vordergrund zu drängen.
Da Gollum kein muskelbepackter Brutalo ist, muss er andere Wege finden um in der rauen Umgebung von Mordor zu überleben. Auch wenn das Ganze natürlich spielerisch stark überzogen ist, passt das Spielprinzip sehr gut zum Charakter. Da ist zum einen der Schleichanteil im Spiel. Schon in den Büchern war Gollum jemand, der aus der Dunkelheit und dem Hinterhalt agiert. Offenen Konfrontationen muss er aus dem Weg gehen, da er klein, verletzlich und unbewaffnet ist.
Im Spiel ist das sehr gut umgesetzt. Gollum kann auf leisen Sohlen seine Gegner umgehen und wird in dunklen Ecken nahezu unsichtbar. Durch geschicktes Timing kann er Lücken in den Patrouillen oder der Aufmerksamkeit seiner Widersacher ausnutzen, um unbemerkt zum Ziel zu kommen. Dabei bieten sich meistens auch mehrere verschiedene Wege an, es gibt nicht immer nur die eine Lösung zum Erfolg.
An manchen Stellen ist es Gollum auch möglich, die Wachen abzulenken. Dazu wird ein Stein auf metallische Gegenstände geworfen, worauf die Gegner zu den Geräuschen laufen. Wer A Plague Tale gespielt hat, kennt dieses System auch von dort. Leider funktioniert das hier deutlich schlechter, gerade das Zielen erweist sich als sehr hakelig.
Bei schwächeren Orks, kann Gollum auch zu fieseren Mitteln greifen. Sind diese alleine und nur schlecht gerüstet, kann er sich von hinten Anschleichen und sie erwürgen. Ganz so wie es auch die Bücher beschreiben.
Zwischen den Schleicheinlagen, oder kombiniert mit diesen, ist auch viel Kletterei erforderlich. Ähnlich wie in Uncharted oder der Prince of Persia Trilogie, klettert Gollum Kanten entlang, springt über Abgründe oder schwingt sich an Stangen entlang wie beim Reckturnen. Gibt es keine Deckung auf seinem Weg, kann er sicher über eine Klettereinlage zum Ziel kommen. Dabei gibt es auch ganze Levelabschnitte, in denen es wild über drehende Zahnräder, Türme und Steilwände in die Höhe geht.
An sich ist das recht nett gemacht und bietet auch interessante Levelarchitekturen. Allerdings erscheint das alles etwas unausgewogen. Im ersten Drittel des Spiels wird fast nur geklettert, wobei Gollum von den Orks auf simple Fetch-Quests geschickt wird. Weniger wäre da mehr gewesen, so wirkt das sehr gestreckt, da sich auch die Story kaum weiterentwickelt.
In späteren Abschnitten ist die Abwechslung größer und auch die Geschichte besser erzählt. Aber der maue Spielstart wird sicher einige Spieler vergraulen. Einige Dinge sind einfach auch nicht logisch. So wird Gollum als Gefangener von den Orks bedroht, dass er ja artig in Reih und Glied strammstehen soll. Wenn er dann aber im ganzen Bereich herumläuft und den Orks sogar auf den Kopf springt, hat das keinerlei Konsequenzen außer wiederholten Drohungen in Form von Sprachsamples.
Wenig hilfreich für die Spielergunst ist auch die zickige Steuerung. Zwar reagiert Gollum sehr direkt und angenehm auf die Controllereingaben, allerdings bleibt er viel zu oft an irgendwelchen Ecken hängen. Bei Abschnitten die unter Zeitdruck bewältig werden müssen, oder wenn Gollum von einem Monster verfolgt wird, führt das schnell zu Frust.
Später gibt es eine Stelle, an welcher Gollum auf einem fahrenden Karren verschiedenen Hindernissen ausweichen muss. Da ist es natürlich absolut tödlich, wenn Gollum zappelnd an einer Kante rumalbert, anstatt sich hochzuziehen wie der Spieler es am Controller vorgibt. Nach mehreren solchen Toden ist der Frust vorprogrammiert.
Auch an anderer Stelle zeigt sich der mangelnde Feinschliff. Die Sprung- und Kletterpassagen sind teilweise nicht so einfach zu absolvieren, da der Weg in den riesigen Spielabschnitten schwer zu finden ist. Gollum besitzt zwar eine Art siebten Sinn, dieser hat aber auch seine Macken. Ähnlich wie Geralt der Hexer, sieht Gollum die Umgebung in einem dunklen Grauton, Gegner und wichtige Gegenstände werden hervorgehoben und der weiter Weg wird mit einer roten Linie markiert. Diese wird aber dann oft nicht richtig angezeigt oder fehlt ganz. Dann geht das Suchen nach dem richtigen Weg los.
Bei anderen Spielen ist das besser gelöst, da werden Kanten oder Flächen, an denen man sich festhalten kann, deutlich markiert. Auch zeigt der der Held, wohin er hinspringen kann. Das verhindern Sprünge ins Nichts und endlose Tode. Bei Gollum funktioniert leider alles nicht besonders gut. Zwar werden Kanten markiert, aber durch die zickige Kamera ist oft nicht ersichtlich, wo es weitergeht. Und das Schlimmste: Gollum zeigt eine Richtung an, in die er springen könnte, ohne dass sich dort eine Plattform befindet. Verlässt sich der Spieler darauf, springt er direkt in einen Abgrund.
Da die Spielabschnitte teilweise sehr groß sind und auch frei erkundet werden können, ist es nicht immer einfach, den richtigen Weg zu finden. Andererseits ist es aber toll, dass man eben nicht nur einen schmalen Korridor langläuft und jeden Schritt komplett geführt wird. Diese große Welt ist somit neben Gollum der Star des Spieles und es gibt immer wieder neue Gegenden oder Spielelemente zu entdecken.
Deswegen ist es auch sehr schade, dass die ganzen nervigen Ecken und Kanten nicht abgeschliffen wurden, sondern dem Spieler und dem Spielspaß im Weg stehen. Um das noch zu bestärken, plagen auch einige Bugs das Spiel. So ging einmal der gesamte Fortschritt eines Levels verloren, anstatt am letzten Checkpoint startete das Spiel am Levelanfang.
Sehr schön ist dagegen wie sich die Geschichte entwickelt und die Entscheidungen des Spielers entweder Gollum oder Smeagol stärken. Zwar ist oft nicht klar, welche Auswirkungen die Entscheidungen wirklich haben. Aber sich zu überlegen ob man den untreuen Gefolgsmann rettet oder fies der Spinne Kankra zum Fraß vorwirft, macht schon Laune.
Auch an anderer Stelle kann man sich oft entscheiden, wie fies man wirklich ist. So arbeitet Gollum während seines Aufenthalts im Kerker als Spion für den Candleman, einem Magier im Dienste Saurons. Wen er in dieser Zeit hintergeht oder hilft, ändert zwar nichts am Fortschritt, macht aber durchaus Laune. Fieser Gollum oder netter und hinterlistiger Smeagol? Unterwürfig um Gnade betteln, oder rebellisch bleiben und bestraft werden? Manchmal fällt die Entscheidung nicht leicht.
Gollum ist bei weitem nicht so schlecht, wie es der Internetmob einem vorgaukelt. Der Zwiespalt zwischen Gollum und Smeagol ist besser dargestellt als in den Filmen und macht ihn zu einem interessanten Charakter. Das Spielprinzip des Hüpf- und Schleichspiels funktioniert trotz einiger Längen sehr gut. Auch die Story ist interessant genug und man will sehen, wie es mit Gollum weitergeht. Auch wenn die Vorlage natürlich nicht viel Spielraum lässt.
Was man dem Spiel aber ankreiden kann, ist der fehlende Feinschliff und einige Längen im Spiel. Mit mehr Zeit, Bugfixing und vor allem etwas mehr Liebe, hätte daraus sicher ein interessantes und ungewöhnliches Spiel werden können. Sicher nicht für die Masse, sondern eher für Liebhaber. Diese müssen jetzt aber einige Abstriche in Kauf nehmen um das Juwel im ungeschliffenen und verschmutzen Stein zu finden. Es lohnt sich aber.